3/12/2012

Balett Slippers



Dünne, spiegelglatt getanzte Ledersohlen mit winzigen Nägeln darin. Ein zarter grauer Schleier über dem roséfarbenen Stoff. Bänder aus knisternder Seide. 



Automatisch legt mein Gehirn eine Ebene mit dem warmen Leuchten alter Postkarten über diese Schuhe. Tagträume von huschenden, kichernden Mädchen, die leichtfüßig über alte Holzdielen tanzen und der Schein der Nachmittagssonne, die schräg durch ein staubiges Fenster fällt. Auf dem Geländer des hohen Fensters landet ein Spatz, von denen es in Paris so viele gibt. Die Ballettlehrerin mit dem strengen Chignon ist hart, aber gerecht.

Nein. Unsinn. In Wirklichkeit: Ein kleines Mädchen, das immer funktionieren musste. Tanz, Kleine! Tanz nicht aus der Reihe! Tanz für Mutti, tanz für Vati, tanz für Onkel Horst. Man muss auch mal über seinen Schatten springen. Mach deinem Brüderchen Essen und deiner Mutti keinen Kummer. Liebe folgt auf Leistung. Müssen statt dürfen und statt Umarmungen Imperative. Verantwortung tragen für die, die 30 Jahre älter sind. Ist doch selbstverständlich.

Das Mädchen stieg in einen Zug nach Italien. Barfuß.

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